Schneller Post für zwischendrin. Ich habe an der Danny-Zeichnung ein wenig herumgeschraubt, damit der Kerl nicht so Chucky-Mörderpuppe-mäßig ausschaut. Das ist immer noch die selbe Kugelschreiber-Zeichnung, aber wie schon öfter erwähnt, ich bin ein Meister des Photoshop.
Von Leon habe ich euch erzählt. Das war der Knabe mit dem Skateboard-Fetisch. Und da ich mir grade meine eigenen Figuren auf eine Weise in den Kopf drücke, die an Besessenheit grenzt, musste auch er mit ein paar hastigen Pinselstrichen portraitiert werden. Voila: Da isser, der Bub.
Ein paar erklärende Worte, denn dem ein oder anderen dürfte es aufgefallen sein: Ich bin sicher nicht der einzige Autor, der beim Schreiben und Plotten bestimmte Schauspieler im Kopf hat, an denen er sich optisch orientiert. Während ich mich bei Cat und Danny jeweils nur seeeehr lose am jeweiligen Vorbild orientiert habe, ist die Vorlage hier recht offensichtlich. Aber keine Visage schreit „selbsterklärter Halbgott im Teenageralter“ in meinen Augen mehr als diese selbstverliebt grinsende Hackfresse da oben. Und bevor ich für diesen Spruch den Zorn ganzer Heerschaaren fünfzehnjähriger Mädels riskiere: Jaja, das ist ein richtig, richtig hübsches Kerlchen, aber er hat halt auch diesen einen, sehr speziellen A*******h-Blick drauf … eben den in diesem Bild. Ihr wisst schon.
Das ist also Leon. Wer ihn erkannt hat: Freu dich! Du kennst jetzt ein Geheimnis. Behalt’s für dich, ja?
Cat Kowalczyk. Das Mädchen hat Feuer in den Augen.
Von meinen Methoden, mich an das Innenleben meiner Figuren anzunähren, habe ich an dieser Stelle ja bereits berichtet. Eine davon ist optisch: Ich fertige kleine Portraits/Charakterstudien meiner Charaktere an, die das Wesen dieser Personen einfangen sollen. Normalerweise werte ich damit lediglich meine Charakter Sheets in Scrivener auf, aber ab und an kommt ein Bildchen dabei zustande, das mir selbst so gut gefällt, dass ich es teilen möchte. Bereits letzte Woche lerntet ihr so „Danny“ kennen, einen der vier jugendlichen Protagonisten meines aktuellen Geheimprojektes.
Hier also Portrait Nummer zwei: Cat Kowalczyk, ein zorniges Mädchen mit kurzer Lunte und überbordendem Loyalitätssinn. Zeichnerisch ist das hier natürlich kein Meisterwerk, zumal die Skizze eigentlich nur für den internen Gebrauch gedacht war. Sie entstand innerhalb einer halben Stunde als Schnellschuss, zu 100% in Photoshop mit ein paar schlampigen Pinselstrichen. Der Gesichtsausdruck, finde ich, ist mir dennoch gelungen. Vor allem mag ich diesen Killer-Blick; Cat lässt sich keinen Bullshit gefallen, sie ist direkt und haut auch mal auf den Tisch. Gerne aber auch auf anderer Leute Nasen.
Die Recherche für einen Roman verlangt gelegentlich Verrenkungen von einem Autor, für die er irritierte Blicke von seinen Mitmenschen erntet. So musste ich mir jüngst die Frage gefallen lassen: „Warum guckst du dir in letzter Zeit den ganzen Tag diese Skateboard-Videos auf YouTube an?“
Meine etwas säuerliche Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Warum wohl? Weil ich null Ahnung vom Skaten habe.“
Dabei war die Nachfrage durchaus berechtigt. Skaten ist ein Sport, der mich nicht die Bohne interessiert. Selbst habe ich im Leben etwa vier mal auf einem Skateboard gestanden, und jedes Mal endete die Begegnung mit diesem Sportgerät mit schmerzhaften Stürzen und aufgeschrammten Gelenken. Seither weiß ich: ich bin kein begabter Faller. Man kann sagen, in Sachen Tollpatschigkeit bin ich die Bella Swan unter Science Fiction-Autoren. Das Skateboard und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr.
Das könnte ich sein.
Aber nicht ich bin auch derjenige, der sich durch meine Augen diese Videos anschaut, sondern Leon. Der liebt das Skaten nämlich und weiß alles darüber – zumindest mehr als der Autor, dessen Hirn ihn gezeugt hat. Und da liegt der Hund begraben. Leon ist nämlich eine der Hauptfiguren in meinem kommenden Romanprojekt und er hat Interessen, die mir persönlich relativ am Allerwertesten vorbeigehen. Doch wie sagte Patricia Highsmith einmal: „Meine Figuren zwingen mich, ihre Hobbies auszuüben“ Genau das passiert auch mir gerade. Zum Glück muss ich dafür nicht selbst aufs Skateboard steigen. Ich befürchte nämlich weitere, schmerzhafte Verletzungen, und manchmal wünsche ich mir Leons Körperbeherrschung.
Wer ein guter Autor sein will, quält seine Kinder
I give you: Danny. Bevor einer fragt: Kugelschreiber, Kohle und Photoshop.
Themenrecherche ist aber nur ein Teil der Vorbereitungsarbeit, die in so ein Romanexpo fließen. Darf ich vorstellen: Danny Kowalczyk. Eine weitere Figur aus dem selben Geheimprojekt, in dem auch Leon vorkommt. Und irgendwie sieht man ihm schon an den Augen an: Das ist kein glücklicher Teenager. No Sir!
Als Grafiker, der ich im Grunde meines Herzens immer geblieben bin, ist mein Ansatz sehr oft visuell. Jemanden zu zeichnen ist sozusagen ein intimer Akt und ermöglicht es mir, meine Figuren zu erkennen und mich mit ihnen zu identifizieren. Skizzen wie diese entstehen meist spontan, im gerade passenden Augenblick. Sie hübschen meine Scrivener-Projekte auf und helfen mir bei der späteren Charakterführung. Es macht diese Menschen irgendwie realer für mich, gibt mir das Gefühl, auch mal zu ihnen gehen und sie schütteln zu können, wenn sie sich auf den Seiten meines Textes nicht so verhalten wie ich es mir wünsche. Aber Figuren sind halt ein Stück weit wie Kinder. Sie entwickeln Eigenleben und machen nicht immer das, was sie sollen.
Dieses Level an Immersion in die Welt der von einem selbst geschaffenen Figuren ist wichtig für einen Autor. Bisher kamen stets diejenigen meiner Charaktere bei meinen Lesern am besten an, in die ich selbst beim Schreiben abgöttisch „verliebt“ war. Das waren Typen und Mädels, die ich, fast wie ein Stalker, besser kannte als meine besten Freunde. Über die ich alles wusste: ihre Stärken und ihre Schwächen – und damit auch, wie man sie am effektivsten quält.
Es ist eine Binsenweisheit, dass ein Autor Sadist sein müsse, aber eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Es gab Momente, in denen ich tränenüberströmt am Rechner saß, weil ich einem meiner Charaktere etwas schlimmes antun oder ihn gar töten musste. Wenn ich eine Figur so richtig in Bedrängnis bringe, mit der ich mich vollkommen identifiziere und an der mein Herz hängt, tut mir das oft mehr weh als dem Charakter selbst. Aber dann weiß ich auch, dass mein Leser mit dieser „Person“ mitfiebern kann. Und, soviel kann ich schon verraten: Der kleine Danny da oben wird mehr einstecken müssen als manch andere von mir erfundene Figur. Sorry, Junge. Du bist im wahrsten Sinne zum Leiden geboren.
Mehr infos zu diesem Geheimprojekt veröffentliche ich an dieser Stelle sporadisch. Ihr dürft also gespannt sein.